Lockerungen mit guten Perspektiven
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Lockerungen mit guten Perspektiven

Ausblick China: Welche Entwicklungen werden 2023 für Anleger relevant? Von Daniel Winkler, Multi Asset Strategist bei Hauck Aufhäuser Lampe

14. Dezember 2022

Lesezeit: 5 Minuten

China ist der Motor der Weltwirtschaft? Diese langjährige Regel galt insbesondere in diesem Jahr nicht mehr. Anlegerinnen und Anleger erlebten mit Blick auf das Reich der Mitte sogar ein höchst anspruchsvolles Jahr. Die Gründe dafür waren zahlreich, insbesondere die herrschende Null-Covid-Politik bremste die Wirtschaft im Land aus. Dies hatte auch Auswirkungen auf die Konjunktur in zahlreichen weiteren Ländern, deren Lieferketten bis nach China reichen. Zudem sorgte der chinesische Immobiliensektor mit dem dort notwendigen Schuldenabbau für erhebliche Unsicherheiten. Welche Erwartungen können Anleger nun im kommenden Jahr an China knüpfen?

 

Die Stimmung der Anleger ist mit Blick auf China eher gedämpft. Schließlich kamen 2022 vorrangig verhaltene bis schlechte wirtschaftliche Signale aus dem Land. Und sicherlich werden auch für das kommende Jahr mehrere Unsicherheiten bestehen bleiben: China wird den Pfad der Null-Covid-Strategie verlassen, gleichwohl wird abzuwarten sein, wie sich die Pandemie im Land nun entwickeln wird. Darüber hinaus gibt es weitere konjunkturelle Unsicherheiten. Grund genug, die aktuelle wirtschaftliche Situation zu beleuchten und einen Ausblick auf die wichtigsten Entwicklungen im neuen Jahr zu wagen.

1. Konjunkturelle Entwicklung 2022 und 2023

Die jüngsten Aktivitätskennzahlen verdeutlichen, wie schwach die Konjunktur derzeit in China ist. So enttäuschten die Außenhandelszahlen im November mit einem Einbruch der Exporte von 8,7 Prozent (Importe: -10,6 Prozent) gegenüber dem Vorjahresmonat massiv. Die restriktive Covid-Politik hat zudem den privaten Konsum 2022 signifikant beeinträchtigt. All diese belastenden Faktoren resultieren auch in einem für ein Schwellenland eher niedrigen Wirtschaftswachstum: Der Internationale Währungsfonds (IWF) ging in seinem Ausblick vom Oktober von einem konjunkturellen Plus von 3,2 Prozent im Gesamtjahr 2022 aus. Wir selbst bei Hauck Aufhäuser Lampe haben eine identische Prognose für das BIP im auslaufenden Jahr.

An der grundsätzlich eher verhaltenden Entwicklung beim Außenhandel dürfte sich nach unserer Einschätzung auch im kommenden Jahr 2023 nicht wesentlich etwas ändern. Ein Grund dafür ist der Umstand, dass die globale Konjunktur weiterhin unter den Leitzinserhöhungen der großen Notenbanken „leidet“. Dadurch wird die Nachfrage nach Waren aus China gebremst. Positiver gestimmt sind wir für das kommende Jahr beim privaten Konsum. Hier dürften die jüngsten Covid-Lockerungsschritte graduell zu einer besseren Entwicklung beitragen, da die Menschen in China wieder mehr Konsumgelegenheiten haben.

Auch die Unternehmen sollten voraussichtlich wieder positiver in die Zukunft blicken und Investitionen tätigen. Unterm Strich prognostizieren wir nach heutigem Stand ein Wirtschaftswachstum von 4,5 Prozent im kommenden Jahr. Der IWF selbst ist ähnlich optimistisch und rechnet mit einem Zuwachs von 4,4 Prozent. Natürlich hat nicht zuletzt das Jahr 2022 gelehrt, dass alle Prognosen von einer Reihe an Einflussfaktoren abhängig sind und sich somit dynamisch entwickeln können.

2. Auswirkungen der Covid-Lockerungen und der Entwicklungen im Immobiliensektor

Grundsätzlich sind die jüngsten landesweiten Covid-Lockerungsschritte in China positiv zu beurteilen. Einerseits überfordert es den Staat in einem fiskalpolitischen Sinne langfristig, dauerhaft restriktive Maßnahmen in Bezug auf die Pandemie umzusetzen. Zumal die Staatsverschuldung in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat und diesen Trend in den kommenden Jahren fortsetzen wird. Andererseits haben die vergangenen Quartale gezeigt, dass die Null-Covid-Strategie keine effektive Antwort auf das Infektionsgeschehen gewesen ist. Zudem bleibt zu bemängeln, dass die Impfquoten kurzfristig zu niedrig sind. Dies kann jedoch behoben werden, natürlich unter der Voraussetzung wirksamer Impfstoffe.

Unterm Strich dürfte der private inländische Konsum von den Lockerungen in den kommenden Quartalen profitieren. Die einfache Logik dahinter: Wenn die Bevölkerung weniger in Quarantäne ist, kann sie verstärkt in die Geschäfte strömen und konsumieren.

Positiv ist auch zu werten, dass die chinesische Regierung in den vergangenen Wochen ihre Politik für den wichtigen Immobiliensektor geändert hat und Immobilienentwicklern finanziell unter die Arme greift. Dies wiederum stabilisiert die Mieten, was letztlich die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte stützt. Davon profitiert ebenfalls der private inländische Konsum.

Die Märkte nehmen diese größtenteils positiven Entwicklungen vorweg und schnuppern Höhenluft. So ist der CSI 300 Aktienindex seit Anfang November um rund 15 Prozent gestiegen. Wir erwarten, dass die Kurse in den kommenden Monaten weiter moderat steigen werden.

3. Welche strukturellen Faktoren können das weitere Wachstum Chinas verlangsamen?

Chinas Wachstumsmodell befindet sich in einer langjährigen Transformation. Es entwickelt sich weg von Export und Investitionen und hin zu einer konsumbasierten Ansatz. Das ist ein Prozess, der bereits von der Corona-Pandemie eingesetzt hatte. In anderen Worten: China wandelt sich seit vielen Jahren von der „Werkbank“ der Welt hin zu einer Volkswirtschaft, die ein gestiegenes Lohn- und Versorgungsniveau – mit entsprechenden Konsummöglichkeiten der Bevölkerung – mit einer hinreichenden Wettbewerbsfähigkeit – Stichwort Innovationswirtschaft – kombiniert. Hierbei kommt dem Dienstleistungssektor eine wichtige Rolle zu. So trugen unter anderem Banken, Handel, Logistik und E-Commerce erstmals im Jahr 2015 mehr als 50 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei.

Die Null-Covid-Strategie wirkte sich logischerweise verheerend auf die Transformation aus, denn sie behinderte den Prozess ausgerechnet genau im Kern: bei der Möglichkeit der Bevölkerung einzukaufen. Das bedeutet im Umkehrschluss allerdings, dass die aktuellen Lockerungen umso positivere Perspektiven ermöglichen. Zumal auch in China sicherlich Nachholeffekte zu erwarten sind. Die Lockerungsschritte sind nichtsdestotrotz mit Unsicherheit behaftet, und Rückschläge können nicht ausgeschlossen werden. Insofern gilt es, die Entwicklungen genau zu beobachten.

Welches Fazit können Anlegerinnen und Anleger nun ziehen? Der chinesische Aktienmarkt dürfte 2023 insgesamt besser abschneiden als im Vorjahr. Höhere Kursniveaus bei den chinesischen Aktienindizes sind aber keine Einbahnstraße. Die Covid-Lockerungen müssen sich noch beweisen – und das Wirtschaftswachstum über den privaten Konsum tatsächlich ankurbeln. Zudem bleibt abzuwarten, wie lange die wichtigsten westlichen Notenbanken, darunter die Fed und die EZB die Leitzinsen 2023 im restriktiven Terrain belassen und so für einen möglicherweise längeren Dämpfer für die globale Konjunktur sorgen. Hiervon kann sich China (noch) nicht vollständig abkoppeln. Denn der Außenhandel spielt für China weiter eine wichtige Rolle, wenngleich die Bedeutung auch graduell abnimmt.

Das beste Szenario setzt sich wie folgt zusammen:

  • Der Winter bleibt „mild“ und die Rezession in Europa fällt weniger stark aus, womit die Nachfrage nach chinesischen Waren steigt.
  • Die Inflation macht beiderseits des Atlantiks eine zügige Kehrtwende, was die großen Notenbanken zu einem weniger restriktiven Kurs veranlasst mit ersten Zinssenkungen im dritten und vierten Quartal 2023.
  • Die angepasste Covid-Strategie in China zeigt Erfolge.
  • Der chinesische Staat unterstützt nachhaltig den Immobiliensektor.
  • China unterlässt eine zu aggressive Regulatorik nicht zuletzt gegenüber westlichen Firmen.

Ein Exkurs: Die chinesische Wirtschaft seit den 1990er Jahren

Die chinesische Wirtschaft hat sich seit Anfang der 1990er Jahre rasant entwickelt. Das Wirtschaftswachstum wurde durch einen rasch steigenden Export von Konsumgütern – von Haushaltsgeräten bis hin zu Smartphones – und durch sehr hohe Investitionen in Industrie, Infrastruktur und Immobilienwirtschaft angetrieben. Eine besondere Rolle spielte dabei die Öffnung für ausländische Direktinvestitionen, die zu einer Vielzahl der neuen Fabriken beitrug. Die chinesische Volkswirtschaft durchlief ab 1992 eine Phase des Hochwachstums: Zwischen 1990 und 2010 wuchs das Bruttoinlandsprodukt des Landes jährlich um rund 10 Prozent.

In den 2010er Jahren geriet das chinesische Wachstumsmodell der 1990er Jahre unter Druck. Die bisherigen Wachstumstreiber – Exporte und Investitionen – hatten ihre Grenzen erreicht. In arbeitsintensiven Exportbranchen hat China mittlerweile an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber südostasiatischen Ländern verloren. Schuhe, Textilien oder Spielzeuge werden zunehmend in Vietnam, Bangladesch oder Indonesien hergestellt. Dies ist vor allem mit dem schnellen Lohnwachstum in China erklärbar, welches mit der rapiden wirtschaftlichen Entwicklung korrelierte. Zwar ist China nach wie vor eine der führenden Exportnationen und dominiert ganze Bereiche wie etwa die Elektronikindustrie. Gesamtwirtschaftlich gesehen aber hat die Bedeutung der arbeitsintensiven Exportwirtschaft als Antriebskraft für das BIP-Wachstum nachgelassen.

Durch massive Investitionen in die Infrastruktur des Landes hat China über die vergangenen Jahre den Ausbau von Straßen, Eisenbahnnetzwerken, Flughäfen oder Kraftwerken vorangetrieben. Daneben gewann auch der Immobiliensektor an Bedeutung. Der stetig ansteigende Anteil der Bevölkerung, der in Städten wohnt (Urbanisierungsgrad), fachte die Nachfrage nach städtischem Wohnraum an. In einigen Städten wie etwa Peking oder Shanghai explodierten die Immobilienpreise, weil die Nachfrage das Angebot deutlich überstieg.

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