„Festgelder spielen nach langer Zeit wieder eine Rolle“
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„Festgelder spielen nach langer Zeit wieder eine Rolle“

Interview mit Marvin Kosmala: Ist die Geldanlage zu einem höheren Festzins derzeit sinnvoll?

02. November 2022

Lesezeit: 5 Minuten

Die Leitzinsen steigen – und damit auch die Konditionen, zu denen Anlegerinnen und Anleger ihr Geld fest verzinsen können. Doch ist solch eine Geldanlage ein probates Mittel um den aktuellen Turbulenzen an den Börsen entgehen zu können? Marvin Kosmala, Relationshipmanager bei Zeedin, erzählt von der Stimmung seiner Kunden, mit denen er täglich in Kontakt steht. Ebenso diskutiert er, ob eine Renaissance der Festgelder angesichts der hohen Inflation wirklich sinnvoll ist.

  • Hallo Marvin, kommen wir gleich zur Sache: Wie war denn die Performance der Kunden, die ihr Geld in Aktien angelegt haben, seit Beginn des Jahres?

Die Situation an den Aktienmärkten gestaltet sich seit Beginn des Jahres als sehr herausfordernd. Branchenübergreifend sehen wir überwiegend, wenn auch nicht ausschließlich negative Entwicklungen – und der DAX spiegelt diese Entwicklungen wider. Anfang des Jahres dotierte er noch bei knapp 16.000 Punkten, derzeit bewegt er sich knapp 3.000 Punkte darunter. Grundsätzlich sehen wir bei allen Indizes und Aktientiteln eine überaus hohe Volatilität. Das ist auch in vielen Portfolien spürbar.

  • Haben dich die Kunden als Alternative schon auf die steigenden Leitzinsen und damit die höheren Zinsen auf Spareinlagen angesprochen?

Tatsächlich spielt das Thema Festgeldanlage aufgrund der wiederholten Leitzins-Erhöhungen seitens der Notenbanken nach langer Zeit wieder eine Rolle für unsere Kunden. Die Quote derjenigen, die ernsthaft über eine Festgeldanlage nachdenken, zeigt aber einen klaren Unterschied zur Situation vor mehr als 10 Jahren, als es bis dato letztmalig nennenswerte Zinsen auf Festgelder gab: Während damals fast jeder Kunde eine Festgeldanlage besparte, sehen wir heute eine höhere Affinität für die Finanzmärkte.

  • Welche Beweggründe gibt es aus Sicht der Anleger fürs Festzinssparen? Wie verargumentieren sie ihre Überlegungen?

Die Hauptgründe für eine Anlage in Festgelder liegen überwiegend im Zins- und Sicherheitsbereich. Während es knapp zehn Jahre lang praktisch keinerlei Verzinsung gab – und das quasi laufzeitunabhängig – erhalten Kunden mittlerweile teils mehr als 2 Prozent für eine einjährige Festgeldanlage. Die derzeitigen Krisen und Unsicherheiten bestärken sie dabei in ihrer Entscheidung, auf solch eine vermeintlich sichere Anlage zu setzen.

  • Was hältst du von diesen Überlegungen, gerade im Kontext der hohen Inflation?

Aufgrund der langen Zins-Durststrecke habe ich natürlich Verständnis dafür, dass sich manche Kunden in Zeiten wie diesen nach attraktiven Anlagemöglichkeiten umsehen. Wenn wir jedoch die aktuell sehr hohe Inflationsrate gegen die Verzinsung der Festgeldanlagen stellen, sehen wir eine große Diskrepanz. Selbst bei einer theoretischen Verzinsung von 5 Prozent pro Jahr würde die hohe Inflation in Deutschland für einen realen Kaufkraftverlust sorgen. Schließlich kletterte die Teuerungsrate im Oktober auf mehr als 10 Prozent.

 

  • Könntest du uns einige Beispielrechnungen geben, wie viel „Gewinn“ ein Anleger derzeit unterm Strich mit einer Festverzinsung erzielt?

Nehmen wir an, eine Anlegerin oder ein Anleger möchte einen Betrag von 30.000 Euro für ein Jahr fest verzinsen bei einem Zinsniveau von 3 Prozent – das wir aktuell übrigens noch nicht erreicht haben. Dann würde sie oder er nach diesem Jahr einen Zinsgewinn von 900 Euro verzeichnen, wohlgemerkt ohne Berücksichtigung von Kapitalertragssteuern, die auf solch einen Gewinn fällig werden können. Die Gesamtsumme würde also nominal am Ende des Jahres 30.900 Euro betragen. Das klingt zunächst vielleicht überzeugend, allerdings sollte nun das hohe Inflationsniveau berücksichtigt werden. Dies bedeutet bei einem Betrag von 30.900 Euro und einer Teuerungsrate 10 Prozent einen Kaufkraftverlust von 3.090 Euro. Damit blieben nur 27.810 Euro übrig. Der Anleger realisiert also unterm Strich einen Verlust von 7 Prozent trotz des gestiegenen Zinsniveaus. 

  • Könnte sich die Situation verbessern, wenn die Anleger auf bessere Zinskonditionen warten?

Durch das Warten auf bessere Zinskonditionen verlieren Kunden weiterhin an Kaufkraft. Auch bei weiteren Zinserhöhungen ist es derzeit fast unmöglich, die Inflation mit Festgeldern zu schlagen. Erst in dem Moment, in der die Zinslandschaft höher als die Inflation sein sollte, lohnt sich hier eine Anlage. Ob und wann dieser Fall jedoch Eintritt, ist weder absehbar noch sonderlich wahrscheinlich.

 

  • Und wäre es aus deiner Sicht überhaupt sinnvoll, Geld momentan fest zu verzinsen – und dann auch noch langfristig?

Auch beim Thema Festgeld gilt eine Grundregel der Geldanlage: Diversifikation ist das A und O. Daher ist ein kompletter Ausschluss von Festgeldern auch nicht richtig, es sollte meiner Meinung nach jedoch lediglich ein geringer Teil des Vermögens fest angelegt werden. Der Teil des Vermögens, der in Festgelder investiert wird, dient dabei lediglich der Absicherung des Gesamtportfolios. Ähnlich wie bei Gold oder Rohstoffen sollte dieser Teil jedoch höchstens 10 Prozent der Allokation betragen. Dabei ist aber auch zu bedenken: Gelder, die fest angelegt sind, sind nicht flexibel oder nur mit Abschlägen verfügbar, wenn sie benötigt werden.

  • Also zurück zum Kapitalmarkt: Wie sind denn die Kursrückgänge seit Beginn des Jahres aus deiner Sicht zu werten?

Kursrückgänge gehören an der Börse zum Alltag und sind bereits in den verschiedensten Krisenzeiten vorgekommen. Wie lange die aktuell rückläufige Entwicklung andauern und wie deutlich sie letztlich ausfallen wird, ist hingegen offen. Die langfristige Betrachtung ist jedoch der elementar wichtige Punkt: Es zeigt sich immer wieder, dass der Zeitraum, in dem man investiert ist, wichtiger und nachhaltiger ist, als der Zeitpunkt, zu dem man einsteigt. Auch hier lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit: Jede Krise ist eine Chance, gute und günstige Einstiegskurse zu realisieren und von den Erholungsphasen zu profitieren.

 

  • Was rätst du deinen Kunden also in der aktuellen Situation? Wie sollen sie sich verhalten?

Mein täglicher Tipp an unsere Kunden lautet: Ruhe bewahren. Zugegeben: In solch bewegten Börsenzeiten hört sich solch ein Rat einfacher an, als er sich tatsächlich anfühlt. Schließlich weiß jeder Anleger, dass es um sein eigenes Geld geht. Ein Panikverkauf bei fallenden Märkten sollte jedoch vermieden werden. Im Gegenteil: Viele unserer erfahrenen Kunden wissen, dass sich ein langer Atem an den Börsen lohnen kann. Und sie fangen genau jetzt an, ihre Portfolios aufzustocken, um zu attraktiven Kursen zu kaufen.

 

  • Wie ist insgesamt der Stimmung deiner Kunden? Was sind ihre Erwartungen?

Nach vielen guten und erfolgreichen Börsenjahren merken wir in diesem Jahr, dass viele Kunden angespannt sind. Das ist natürlich absolut verständlich. Zumal zu berücksichtigen ist, dass diese Phase für manche Anleger die erste Krise ist, die sie im eigenen Portfolio erleben. Schließlich liegt die letzte „richtige“ Krise bereits 15 Jahre zurück, und der sogenannte Corona-Crash wurde von einer so raschen wie kräftigen Erholung überdeckt.  Umso wichtiger ist es, dass wir als Bank für unsere Kunden da sind und bei jeglichen Fragen zur Verfügung stehen. Ich telefoniere täglich mit Kunden, um eine Einschätzung zur Lage zu vermitteln. Genau das ist aber auch die Erwartung unserer Kunden in der jetzigen Situation.

 

  • Wie sind wiederum deine Erwartungen?

Ich erwarte ein weiterhin angespanntes und volatiles Marktumfeld. Vieles wird von den äußeren Einflussfaktoren entschieden, und vor allem die Notenbanken spielen eine zentrale Rolle. Auch wenn es eine schwierige Zeit ist und diese uns noch weiter begleiten wird: Nach dem Motto: „Auf den Regen folgt Sonnenschein“, erwarte ich persönlich auch nach dieser Krisenzeit eine spürbare Erholung der Märkte und eine Zukunft, die uns weitere Kurssteigerungen verspricht.

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