Wo die größten Chancen bestehen

Wo die größten Chancen bestehen

Der Krise zum Trotz: Welche Unternehmen sich positiv entwickeln. Von Michael Bergmann, Portfoliomanager bei Hauck Aufhäuser Lampe

21. November 2022

Lesezeit: 5 Minuten

Anlegerinnen und Anleger haben derzeit ein klares Ziel: Gewinner zu finden und Chancen zu nutzen. Denn so viel ist klar: Es gibt sie. Nicht zuletzt die jüngsten Umsatz- und Ergebnisrekorde einzelner Unternehmen zeigen recht deutlich, dass manche Akteure auf den Märkten besser mit den aktuellen Krisen zurechtkommen als andere – oder vielmehr, dass sie sogar davon profitieren. Für Anleger lohnt sich deshalb ein differenzierter Blick auf einzelne Branchen und Sektoren. Doch wo genau haben sich im Jahresverlauf die besten Chancen offenbart?

Zugegeben, die ökonomischen Rahmenbedingungen sind – freundlich ausgedrückt – nicht optimal. Die Wirtschaftsdynamik lässt deutlich nach, die Inflation ist historisch hoch, die Zentralbanken steigern beständig die Zinsen und die Rezessionsgefahren bestehen weiterhin. Die Kombination all dessen führt letztlich dazu, dass Verbraucher wie Unternehmen unter Druck geraten. Und damit in letzter Instanz auch die Kursverläufe an den Finanzmärkten. Oder mit anderen Worten: Aktien scheinen derzeit als Anlageform eher problematisch zu sein. Aber ist das wirklich so?

Das alte Sprichwort, dass eine Krise auch Chancen birgt, gilt auch in diesem Umfeld – für manche Unternehmen mehr, für andere weniger. Ein genauerer Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung im bisherigen Jahresverlauf offenbart vor allem in vier Bereichen positive Impulse und auch klare Gewinner. Dies sind:

 

  • Energie und Energieversorgung
  • Rohstoffe
  • Konsum
  • Technologien

Wie sind diese Bereiche nun genau zu fassen? Welche Entwicklungen sorgen für Rückenwind? Und werden die Unternehmen tendenziell auch weiterhin gut durch das krisengeschüttelte Umfeld kommen, zumindest sofern das absehbar ist?

1. Energie- und Versorgungsunternehmen

Die Nachfrage nach Energie nahm bereits zum Ende des vergangenen Jahres spürbar zu und führte zu einem knapperen Angebot – das sich mit Beginn des Krieges in der Ukraine nochmals reduzierte. Logischerweise waren nach dem einfachen Prinzip von Angebot und Nachfrage steigende Energiepreise die Folge. Diese verliehen insbesondere den Unternehmen reichlich Rückenwind, deren Geschäftsmodell in der Bereitstellung von Energieträgern besteht, vor allem von Öl und Gas. Bemerkenswert war dabei vor allem die wirtschaftliche Entwicklung von Unternehmen aus Europa und den USA. Und es ist absehbar, dass Themen wie die Verfügbarkeit von und die Versorgung mit Energie wenigstens auf mittlere Sicht relevant bleiben werden mit entsprechenden Auswirkungen auf den Energie-Sektor.

Energieversorgungs-Unternehmen zeigten sich bislang ebenfalls weitgehend konjunkturresistent. Sie sind Teil der Energienetze, die täglich benötigt werden, womit hohe Abhängigkeiten von ihren Dienstleistungen bestehen. Allerdings ist die Situation der Energieversorger ambivalent zu bewerten. Denn wie einige namhafte Fälle aus dem laufenden Jahr gezeigt haben, gerieten diese Unternehmen in Schieflage, da sie bei erhöhten Preisen etwa für Gas ihre bestehenden vertraglichen Lieferverpflichtungen erfüllen mussten.

Daher sollten großkapitalisierte Unternehmen im Fokus stehen, die sich auf das Betreiben von Energienetzen und –infrastrukturen konzentrieren. Daneben lohnt auch ein Blick auf Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell in den vergangenen Jahren auf umweltfreundliche Energien wie Windkraft, Solarenergie und Wasserkraft umgestellt haben.

2. Rohstoffe

Unternehmen, die Rohstoffe fördern und handeln, profitieren tendenziell von einer erhöhten Nachfrage infolge von Engpässen und Sanktionen aufgrund des Krieges in der Ukraine. Dabei spielt auch eine Rolle, dass Rohstoffe für viele Vorprodukte benötigt werden, die am Anfang der Wertschöpfungskette stehen und damit kaum zu ersetzen sind. Insbesondere international aufgestellte Unternehmen, die in Europa und Asien angesiedelt sind und etwa mit Kupfer oder zum Teil auch mit Kohle oder Eisenerz handeln, entwickelten sich im Jahresverlauf positiv. So verteuerte sich zum Beispiel Kohle nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine zeitweise um mehr als die Hälfte.

Rohstoff-Unternehmen verfügen über günstige Bewertungen und produzieren aussichtsreiche Aktiendividenden. Gleichwohl reagiert ihr Geschäftsmodell auch sensibler auf die konjunkturelle Entwicklung. Das bedeutet, dass sich dort eine mögliche Rezession perspektivisch bemerkbar machen kann. Kupfer gilt nicht umsonst als Konjunkturbarometer, da es in vielen Industrien benötigt wird: Lässt die konjunkturelle Dynamik nach, sinkt auch die Nachfrage nach Kupfer. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Rohstoff auch für die Energiewende eine wichtige Rolle spielt. Und in den Jahren 2021 und 2022 bestand eher ein Angebotsdefizit, das die Preise getrieben hat.

Interessant sind im Rohstoff-Sektor somit Unternehmen, die von geopolitischen Strukturbrüchen profitieren können. Hinzu kommen Unternehmen aus vorwiegend zyklischen Sektoren wie den Industriemetallen, da durch die globalen Veränderungen vielerorts auch neuer Investitionsbedarf entsteht.

3. Konsum

Die Betrachtung des Konsums gestaltet sich komplex. Als besonders konjunkturresistent zeigen sich vor allem Unternehmen, die Produkte für den täglichen Bedarf anbieten. Das trifft unter anderem auf Lebensmittelhersteller zu. Allerdings ist dieser Sektor nicht einheitlich zu betrachten, da viele Verbraucher in wirtschaftlich angespannteren Zeiten eher zu günstigeren Produkten anstatt zu Marken- oder Bioprodukten greifen. Weitgehend unabhängig von der Konjunktur gestaltet sich das Geschäft der Hersteller von Luxusgütern: Aufgrund ihrer Marktstellung und der Kaufkraft ihrer Kunden verfügen sie über die Möglichkeit, die Preise stabil zu halten oder sogar zu steigern. Für sie ist es weniger ein Problem, höhere Kosten an ihre Kunden weiterzugeben. Diese Unternehmen sind meist in Europa angesiedelt, besitzen aber auch einen starken Bezug nach Südostasien.

4. Technologien

Die Unternehmensnachrichten im Technologiesektor waren im laufenden Jahr von zahlreichen negativen Entwicklungen geprägt. Dies zeigte sich auch im Ergebnis der jüngsten Berichterstattung für das abgelaufene dritte Quartal. Dennoch ist auch in diesem Sektor eine Pauschalaussage nicht zielführend. So sind Unternehmen mit einer sehr starken internationalen Marktposition und einem sehr hohen technologischen Standard hervorzuheben. Dazu zählen zum Beispiel Unternehmen, die als Zulieferer für die Halbleiterindustrie von zentraler Bedeutung sind.

Die Betrachtung der einzelnen Bereiche zeigt: Die Aussage, dass Aktien im aktuellen konjunkturellen Umfeld eher mit Vorsicht zu behandeln sind, trifft nicht wirklich zu. Zwar ist die Suche nach vielversprechenden Investments komplexer geworden. Aber umso mehr empfiehlt sich eine differenzierte Herangehensweise: ein Aufbau des Portfolios mit Werten, die gegen den Trend laufen, möglichst diversifiziert und international ausgerichtet. Anleger, die so vorgegangen sind, konnten bislang auch bei angespannten Märkten gute Chancen realisieren.

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