Vom Millionär zum Tellerwäscher
Offener Brief an US-Präsident Donald Trump
Sehr geehrter Herr Trump,
mit Ihrer Zollpolitik haben Sie die Zeichen der Zeit erkannt − jedoch die der Steinzeit! Jeder Student der Volkswirtschaft lernt, dass die Arbeitsteilung das A und O internationaler Wirtschaftsbeziehungen ist. Mit ihr sind Spezialisierungsvorteile am besten zu heben, wovon alle etwas haben. Zölle passen dazu nicht!
Warum Sie meinen, schlauer als die Wissenschaft zu sein, bleibt Ihr Geheimnis. Renommierte Handelsökonomen wie Adam Smith und David Ricardo drehen sich jedenfalls im Grabe um. Unternehmen werden sich mit Ihrem Zolldiktat aber kaum in großem Stil in die USA zwingen lassen. Da können Sie noch so viele Steuern senken und Deregulierung betreiben. Am Ende bleibt nämlich unklar, ob Sie Versprechen halten. Hier untergraben Ihre zunehmend willkürlichen und autokratischen Entscheidungen das Vertrauen in die Verlässlichkeit der US-Politik. Rechtssicherheit ist ein hohes Gut! Sie ist nicht alles. Aber ohne sie ist alles nichts.
Handelsströme umfassen übrigens nicht nur Waren, sondern auch Dienstleistungen. Beim Export Letzterer haben sich die USA global einen klaren Spezialisierungsvorteil erarbeitet. Das brandmarken Sie nicht. Global weitreichende Zollentscheidungen sollten sich aber nicht nur auf die halbe Wahrheit stützen. Dass Sie sich diese fachliche Blöße überhaupt geben, ist hanebüchen. Passen Sie deshalb vor allem gut auf, dass Ihnen die Tech-Giganten nicht abwandern.
Als Freund der Amerikaner empfehle ich Ihnen ein Überdenken Ihrer Zollpolitik. Sie wird scheitern, wie das mit dem Smoot-Hawley-Zollgesetz vor 95 Jahren schon der Fall gewesen ist. Vor allem leiden die Menschen in den USA. Die Verunsicherung ist bereits groß, das Wachstum stockt, die Inflation steht im Startblock, die Zinsen sind hoch und das Haushaltsdefizit explodiert. Erwarten Sie dafür Applaus?
Wer hoch verschuldet ist, sollte ohnehin lieb zu seinen Gläubigern sein. Bei einem Schuldenberg von 36 Billionen US-$ gilt es jedenfalls aufzupassen! Was, wenn internationale Investoren wegen Ihrer Allüren künftig weniger Treasuries kaufen? Bei hohem Währungsrisiko kann der Zinsvorteil rasch dahin sein. Denken Sie darüber mal nach, vielleicht auf den Pinguin-Inseln. Oder beabsichtigen Sie, für Staatsanleihekäufe künftig die US-Notenbank zu missbrauchen? Oder das Militär?
Da Ihnen so wenig an Europa und der Welt liegt, sind die USA für mich vorerst kein Reiseziel. Auch werde ich US-Produkte bis auf Weiteres meiden. Das heißt unter anderem: kein Halt bei McDonald's, kein Starbucks, keine Coca-Cola! Auch „meinen“ Amazon-Boten werde ich künftig seltener zu mir bitten (obwohl er sehr nett ist). Ich befinde mich im US-Warenboykott, Europa braucht mich. Das ziehe ich so lange durch, bis Sie den Freihandel wieder zulassen.
Make America Great Again? Da Sie in Nullsummen und nicht in Win-Win-Szenarien denken, wohl kaum! Der amerikanische Traum wird sich erheblich wandeln, wenn sie künftig mehr Tellerwäscher als Millionäre „produzieren“. Jedenfalls wünsche ich Ihnen viel Erfolg, mit Zöllen das 19. Jahrhundert zurückzuholen. Vergessen Sie dabei nicht, auch die Dampfmaschine zu entmotten. Und natürlich Pferde! Pferde sind wichtig! Mit dieser Einschätzung lag schon Kaiser Wilhelm II. daneben.
Mit den besten Freihandelsgrüßen
Ihr Alexander Krüger
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