NFTs - eine Revolution in der Kunst?
Karen Krämer, Vorstand der Hauck & Aufhäuser Kulturstiftung, im Interview mit Herrn Reinhard Schmid
NFTs erhielten im Jahr 2021 weltweite Aufmerksamkeit, als die digitale Collage „Everydays“ des Künstlers Beeple für 69 Millionen US-Dollar beim berühmten Auktionshaus Christie’s in New York versteigert wurde. Damit ist es der teuerste je verkaufte NFT (kurz für Non-Fungible Token). Zugleich wurde damals deutlich, dass NFTs den Kunstmarkt verändern werden – zuweilen ist sogar von einer Revolution die Rede.
Karen Krämer, Vorstand der Hauck & Aufhäuser Kulturstiftung, im Interview mit dem Künstler Reinhard Schmid, der selbst seit einigen Jahren im NFT-Bereich tätig ist:
Karen Krämer: Lieber Herr Schmid, ich habe über Sie gelesen, dass Sie Bleistiftzeichnungen in Verbindung mit Aquarellfarben hinter Glas perfektioniert haben. Wie sind Sie zum NFT-Künstler geworden und was bedeutet NFT-Kunst für Sie als Künstler?
Reinhard Schmid: Meine Leidenschaft ist die Kunst. Daneben habe ich mich schon immer für Technik interessiert und hatte bereits 1994 in Chicago meinen ersten Internetanschluss. Im Jahr 2017 habe ich dann die Social Media-Plattform Steemit kennengelernt, auf der Texte und Bilder hochgeladen und von den Besuchern bewertet werden konnten. Diese Likes waren damals schon mit einem Geldwert verbunden. Dadurch habe ich mich eingehend mit der Blockchain beschäftigt und bin so zur NFT-Kunst gekommen. Im August 2018 habe ich dann ein erstes Werk – den Scan eines Glasbildes – auf Makersplace – einem digitalen Kunstmarkt – für 10 US-Dollar verkauft. Das war ein Abenteuer!
NFT bedeutet für mich als Künstler, neugierig zu sein, mich mit neuen Technologien zu beschäftigen, sie auszuprobieren und dann auch für die Umsetzung meiner Ideen zu nutzen. Daneben bedeutet es, einen weiteren Absatzweg zu haben. In der Corona-Pandemie war das ideal.
Karen Krämer: Haben NFTs Ihre Kreativität beeinflusst?
Früher habe ich nur auf bzw. hinter Glas gearbeitet. Hätte mir mein Bild nicht gefallen, hätte ich es abwischen und neu anfangen müssen. Das ist anders, wenn ich den Rechner als Werkzeug benutze. Digitale Kunst fällt auf mit einer anderen, manchmal glänzenden oder lauten Bildsprache, mit 3D-Effekten, leuchtenden Farben, Animation und/oder einem sicht- wie hörbaren Feuerwerk.
Karen Krämer: Wenn Sie ein Kunstwerk kreieren – wissen Sie dann schon zu Beginn, dass Sie es auf der Blockchain „minten“ werden?
Oft beginne ich auf einem kleinen Schmierzettel meine Idee aufzumalen – eine schnelle Skizze. Aus dieser Idee kann einerseits ein physisches Werk entstehen oder ein digitales auf der Blockchain. Manchmal verwende ich auch nur einen besonderen Teil des physischen Kunstwerks, um dieses in ein digitales Werk zu überführen.
Karen Krämer: Welche Rolle spielen Plattformen und Marktplätze bei NFTs, und welche sollte man als Künstler oder Investor wählen?
Wichtig finde ich für beide, einen kuratierten Marktplatz mit Reputation zu wählen, bspw. Makersplace, bei dem der Künstler eine Applikation durchlaufen muss, um akzeptiert zu werden.
Karen Krämer: Wie kann man NFTs verifizieren und sicherstellen, dass sie authentisch sind?
Bei physischen Kunstobjekten wird die Echtheit und der Marktwert durch sorgfältige Untersuchung und Expertenwissen festgestellt. Wer ein Kunstwerk als NFT besitzt, kann das Eigentum und die Echtheit mithilfe des Codes in der Blockchain nachweisen.
Entscheidend ist aber auch, ob das NFT tatsächlich vom angegebenen Künstler stammt. Anderenfalls erwirbt der Käufer ein gefälschtes NFT ohne jeglichen Wert. Als Käufer sollte man sich daher vergewissern, dass es sich auch wirklich um das Werk des angegebenen Künstlers handelt, bspw. indem man ihn in den sozialen Medien oder über seine Webseite sucht oder direkt bei ihm nachfragt, ob das Kunstwerk von ihm stammt.
Karen Krämer: Der Wert von NFTs schwankt sehr stark. Fällt der Wert einer Kryptowährung, sinkt automatisch der Wert des Kunstwerkes. Wie schauen Sie darauf?
Auch wenn die Zahlen beeindruckend sind, der Markt ist dynamisch. Dafür gibt es keine Landkarte. Ich bin ein eher beharrlicher Mensch, mich fasziniert das Thema, also bleibe ich dran. Deshalb denke ich mir: Es wird kommen, wie es kommt.
Karen Krämer: Gibt es rechtliche Aspekte, die bei NFTs berücksichtigt werden müssen? Wie sieht es mit dem Urheberrecht und dem geistigen Eigentum aus?
Mir ist es wichtig, dass das Copyright des Künstlers beachtet wird. Das gilt selbstverständlich auch für die physische Kunst. Aber gerade aufgrund der technologischen Möglichkeiten in der Blockchain ist es wichtig, dass das Urheberrecht sichergestellt und geschützt wird.
Karen Krämer: Gibt es bestimmte Kriterien, die ein NFT erfüllen sollte, um erfolgreich zu sein? Und welche Herausforderungen und Risiken sind mit NFTs verbunden?
Jeder mit Zugang zu einem Computer kann ein NFT erstellen, das das Potenzial hat, erfolgreich zu sein. Der Erfolg steht und fällt aber mit der Kunst. Die Jahre, in denen NFTs wertmäßig durch die Decke gegangen sind, sind vorbei. Die Arbeit der Künstler ist mühsamer und die Sammler sind anspruchsvoller geworden. Damit bleibt die Frage, wie Kreativität und Qualität bewertet werden – eine Frage, auf die es auch in der traditionellen Kunst keine einzig richtige Antwort gibt. Kunst entwickelt sich. Als Wertanlage ist sie sicherlich risikoreich.
Karen Krämer: Umstritten ist der enorme Energieverbrauch, zu dem NFTs beitragen. Wie gehen Sie damit um?
Die Auswirkungen auf die Umwelt werden kontrovers diskutiert. Alles verbraucht Energie, und jeder Einzelne entscheidet, wie er sie nutzt. Wenn ich ein traditionelles Bild male, brauche ich dafür einen Keilrahmen, also Holz, eine Leinwand, also Baumwolle, und Farben. Wenn das Bild dann fertig ist, wird es verschickt, bspw. nach Puerto Rico, wo mein nächstes Bild – übrigens in den Maßen 180 mal 120 Zentimeter – hingehen wird. Die Kiste besteht aus Holz und der Transport erfolgt mit dem Flugzeug. Am Ende muss jeder entscheiden, welcher Weg der richtige ist. In diesem Fall wäre die Alternative eines NFT sicherlich günstiger. Es gibt übrigens weniger energieintensive und damit umweltfreundlichere Alternativen zu dem Blockchain-System Ethereum, auf dem viele NFT-Transaktionen erfolgen. Da wären bspw. Solana und Tezos zu nennen.
Karen Krämer: Welche Ratschläge haben Sie für Künstler, die in den NFT-Markt einsteigen möchten?
Wie in der traditionellen Kunst gilt: Wenn man noch nicht etabliert ist, ist es schwierig. Ich halte es daher für sinnvoll, mit einem Agenten zusammenzuarbeiten – sowohl in der traditionellen als auch in der digitalen Kunst. Denn man muss wahrgenommen werden. Die Präsenz im Internet ist entscheidend!
Karen Krämer: Vielen Dank für das Interview, Herr Schmid.
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