Neue Verwaltungsrichtlinien zum Gemeinnützigkeitsrecht
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Neue Verwaltungsrichtlinien zum Gemeinnützigkeitsrecht

Interview mit Dr. Philipp Windeknecht

18. März 2022

Lesezeit: 10 Minuten

Ende 2020 wurde das Jahressteuergesetz 2020 beschlossen, das weitreichende Änderungen für das Gemeinnützigkeitsrecht beinhaltet. Welche zusätzlichen Auswirkungen haben die im August 2021 sowie im Januar 2022 geänderten Verwaltungsrichtlinien für Stifter und Stiftungen? Dazu hat Karen Krämer, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Hauck Aufhäuser Kulturstiftung, mit Dr. Philipp Windeknecht, Maître en droit, Rechtsanwalt/Steuerberater, Assoziierter Partner bei Flick Gocke Schaumburg Partnerschaftsgesellschaft mbB in Frankfurt am Main,  gesprochen.

Herr Dr. Windeknecht , welche zusätzlichen Auswirkungen haben die im August 2021 sowie im Januar 2022 geänderten Verwaltungsrichtlinien für Stifter und Stiftungen?

Dr. Philipp Windeknecht: Die Finanzverwaltung legt mit den angepassten Verwaltungsrichtlinien (Anwendungserlass zur Abgabenordnung) eine umfassende Auslegung der Gesetzesänderungen vor. Dies verhilft den Steuerpflichtigen und den Beratern zu einer gewissen Sicherheit bei der Anwendung der gesetzlichen Neuerungen. Im Übrigen gelten die Verwaltungsrichtlinien schon seit August 2021.

Karen Krämer: Mittlerweile müssen gemeinnützige Körperschaften ihre Mittel nicht zeitnah verwenden, wenn die jährlichen Einnahmen nicht mehr als 45.000€ betragen (§ 55 der Abgabenordnung, AO). Welche Details beinhalten die Verwaltungsrichtlinien?

Dr. Philipp Windeknecht: Die Finanzverwaltung konkretisiert den Begriff der Einnahmen und auch die zeitliche Betrachtung: Als Einnahmen sollen alle Vermögensmehrungen berücksichtigt werden, die der Körperschaft zufließen. Einnahmen sind daher nicht nur Spenden, sondern auch sämtliche Bruttoeinnahmen aus der steuerfreien Vermögensverwaltung, des Zweckbetriebs und des steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs. Meines Erachtens nicht zutreffend zählt die Finanzverwaltung auch Zuwendungen in das Vermögen der Körperschaft als Einnahmen. Folglich sollen z. B. auch Zuwendungen zur Erhöhung des Grundstockvermögens einer Stiftung vom Einnahmenbegriff umfasst sein.

Es werden sämtliche Einnahmen eines Kalenderjahres addiert. Es gilt das Zuflussprinzip, so dass es darauf ankommt, wann die Körperschaft die Verfügungsmacht über die Mittel erlangt. Bei Überschreiten der 45.000€-Grenze unterliegen die in den Jahren des Unterschreitens angesammelten und die übrigen, zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Mittel aber nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung. Es erfolgt somit stets eine Jahresbetrachtung, die keine Konsequenzen für vorhergehende oder nachfolgende Jahre nach sich zieht.

Karen Krämer: Das geänderte Gemeinnützigkeitsrecht fördert die Kooperation unter gemeinnützigen Körperschaften (§ 57 Abs. 3 AO). Welche Auffassung vertritt die Finanzverwaltung hierzu?

Dr. Philipp Windeknecht: Auch nach Ansicht der Finanzverwaltung dürfen Körperschaften arbeitsteilig vorgehen, um gemeinsam einen steuerbegünstigten Zweck zu verfolgen. Jede Körperschaft erfüllt dann unmittelbar die steuerbegünstigten Zwecke. Der Anwendungserlass nennt als mögliche Tätigkeiten neben Dienstleistungen auch Nutzungsüberlassungen. Dies ist erfreulich. Die formalen Voraussetzungen sind jedoch hoch: Die Satzungen der beteiligten Körperschaften müssen die Kooperation als Art der Zweckverwirklichung beinhalten und die Kooperationspartner benennen.

"Die Finanzverwaltung legt mit den angepassten Verwaltungsrichtlinien (Anwendungserlass zur Abgabenordnung) eine umfassende Auslegung der Gesetzesänderungen vor. Dies verhilft den Steuerpflichtigen und den Beratern zu einer gewissen Sicherheit bei der Anwendung der gesetzlichen Neuerungen."
Dr. Philipp Windeknecht, Maître en droit, Rechtsanwalt/Steuerberater, ist Assoziierter Partner bei Flick Gocke Schaumburg Partnerschaftsgesellschaft mbB in Frankfurt am Main.

Karen Krämer: Gerade für große unternehmensnahe Stiftungen spielen Holdingstrukturen auch im Gemeinnützigkeitsbereich eine nicht zu unterschätzende Rolle (§ 57 Abs. 4 AO). Wie geht die Finanzverwaltung damit um?

Dr. Philipp Windeknecht: Die Schlussfolgerungen sind nachvollziehbar und zu begrüßen: Ausreichend für die eigene unmittelbare Zweckverwirklichung der Holding-Körperschaft ist demnach die Beteiligung an nur einer steuerbegünstigten Kapitalgesellschaft. Ferner ist eine Mindestbeteiligungsquote nicht erforderlich. Wird eine Beteiligung zur unmittelbaren Verfolgung der eigenen steuerbegünstigten Zwecke gehalten, ist sie dem ideellen Bereich zuzuordnen. Folglich entstehen die Einnahmen aus dieser Beteiligung im ideellen Bereich. Ferner dürfen für den Erwerb einer solchen Beteiligung zeitnah zu verwendende Mittel genutzt werden. Daneben darf die Holding-Körperschaft ebenfalls Anteile an steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften halten.

Karen Krämer: Neben der Kooperation unter Gemeinnützigen wurde die gegenseitige Förderung vereinfacht (§ 58 AO). Welche Punkte sind von besonderer Bedeutung?

Dr. Philipp Windeknecht: Gemeinnützige Körperschaften dürfen teilweise oder ausschließlich andere gemeinnützige Körperschaften durch die Zuwendung eigener Mittel fördern. An dieser Stelle wird im Anwendungserlass konkretisiert, dass Mittel nicht nur Bargeld, sondern sämtliche Vermögenswerte sind. Als Mittelzuwendung kommen daher ebenfalls Nutzungsüberlassungen oder die Erbringung von Dienstleistungen in Betracht (unentgeltlich oder maximal kostendeckend). Gerade wenn die Voraussetzung für eine Kooperation nicht erfüllt sind, kommt eine zulässige Betätigung als Förderkörperschaft in Betracht. Aber auch an Förderkörperschaften werden gewisse Bedingungen gestellt:

Handelt es sich um eine ausschließliche Förderkörperschaft, muss dies in der Satzung festgelegt sein. Ferner muss eine gemeinnützige Körperschaft, die einen von mehreren Zwecken ausschließlich durch Mittelweitergabe verwirklicht, über eine entsprechende Satzungsregelung hinsichtlich dieser Art der Zweckverwirklichung verfügen. Anderenfalls ist keine weitere Satzungsbestimmung erforderlich. Die Zwecke der hingebenden und empfangenden Körperschaft müssen im Übrigen nicht identisch sein.

Als Mittelempfänger kommen nun ausdrücklich selbst ausländische Körperschaften in Drittstaaten in Betracht. Jedoch muss die spätere Verwendung der Mittel für steuerbegünstigte Zwecke ausreichend nachgewiesen werden.

Karen Krämer: Vielen Dank für das Internview, Herr Dr. Windeknecht!

Dr. Philipp Windeknecht, Maître en droit, Rechtsanwalt/Steuerberater, ist Assoziierter Partner bei Flick Gocke Schaumburg Partnerschaftsgesellschaft mbB in Frankfurt am Main. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehört die Beratung vermögender Privatpersonen und mittelständischer Unternehmerfamilien in ihrer nationalen und grenzüberschreitenden Nachfolgeplanung. Ferner berät er im Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht.