Der Blick auf 2022
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Der Blick auf 2022

Markt & Wirtschaft

11. Januar 2022

Lesezeit: 4 Minuten

Was bringt 2022? Ist eine Rückkehr zur wirtschaftlichen Normalität möglich? Wo liegen Risiken? Bleibt uns höhere Inflation erhalten? Wie reagieren die Notenbanken? Und natürlich: was machen die Kapitalmärkte aus der ganzen Gemengelage? Wir haben fünf wichtige Themenfelder identifiziert.

Konjunktur und Liefernetze

Unser wirtschaftlicher Ausblick für 2022 fällt alles in allem positiv aus. Die wichtigsten Volkswirtschaften der Welt werden Wachstumsraten aufweisen können, die deutlich über dem Potentialwachstum liegen. Die Eurozone und die Vereinigten Staaten werden auf rund 4% reales Wachstum kommen; damit etwas weniger als 2021. In Deutschland wird die Volkswirtschaft nach 2,5% im Vorjahr in diesem Jahr real um 4% wachsen.

Die globalen Lieferengpässe sollten sich allmählich auflösen können, aber dieser Prozess kann langsamer als erhofft verlaufen. Kapazitäten hochzufahren hat sich als schwierig erwiesen, insbesondere wenn es an Fachkräften mangelt. Im vergangenen Jahr haben sich die Unternehmen damit in beeindruckender Weise arrangiert. Nicht zuletzt dadurch, dass höhere Preise für Vorleistungen an die Verbraucher weitergegeben werden konnten. Bei hohen Ersparnissen waren die Verbraucher bereit, Preisüberwälzungen anzunehmen. Aber wie lange bleibt das so?

Dass viele börsennotierte Unternehmen in den vergangenen Quartalen die gehegten Erwartungen an die Umsatz- und Gewinnentwicklung übertreffen konnten, hing neben solchen Preissetzungsspielräumen auch damit zusammen, dass eine enorme Verschiebung der Nachfrage von Dienstleistungen hin zu Gütern zu beobachten war. Für das Jahr 2022 gehen wir davon aus, dass die Unternehmensgewinne (im Schnitt und für die in den Leitindizes versammelten Firmen) um rund 10% zulegen können. Weniger als 2021, aber auskömmlich genug für positive Aktienmarkterträge in vermutlich ähnlicher Größenordnung. Die Streuung (Dispersion) zwischen Regionen und Sektoren wird hoch sein. Die Verlierer des Vorjahres (etwa chinesische Aktien) könnten zur Aufholjagd ansetzen. Einige europäische Märkte (Schweden, Frankreich) ließen schon 2021 den S&P 500 hinter sich, andere Märkte hingegen (Spanien, Großbritannien) legten nur einstellig zu. Der „Reflation-Trade“ dürfte sich mit dem geschilderten Umfeld fortsetzen. Zyklische Werte, Banken als „Profiteure“ steigender Zinsen miteingeschlossen, sollten sich besser behaupten als defensivere Titel.

 

Inflation und Geldpolitik

Sind die höheren Inflationsraten eine temporäre Erscheinung oder der Beginn eines neuen Regimes mit Raten, die über den Inflationszielen der Notenbanken liegen? Um es vorwegzunehmen: das Einzige was man sicher weiß ist, dass einige Basiseffekte wegfallen werden. Die Inflation in den USA und in Europa dürfte um den Jahreswechsel herum ihre Spitze erreicht haben. Der weitere Inflationsverlauf hängt davon ab, was andere „Inflationsquellen“ über das Jahr hinweg liefern werden. Höhere Rohstoffpreise schlagen recht zügig auf die Verbraucherpreise durch. Und wenn es den Unternehmen gelingt, ihren Kostendruck ohne großen Zeitverzug an die Konsumenten weiterzugeben, wird das Szenario sich zurückbildender Teuerung noch unwahrscheinlicher. Momentan ist ihre Preissetzungsmacht hoch, denn hohe Ersparnisse und eine geringe Preissensitivität bei Verbrauchern lassen Preisüberwälzungen zu. Dagegen wirkt der oft genannte Lohndruck (Lohn-Preis-Spirale) erst mittelfristig. Es ist aber davon auszugehen, dass die Tariflohnabschlüsse höher als zuletzt ausfallen werden. In 2021 stiegen die Tariflöhne in Deutschland im Schnitt um 1,7%, was letztlich einen Reallohnverlust von rund 1,5% bedeutete.

Für die Notenbanken wird 2022 daher eine Herausforderung. Vermutlich weniger für die amerikanische und andere, von denen einige bereits die Zinsen erhöht haben. Die Fed hat den Weg frei gemacht für drei Zinserhöhungen in diesem und weiteren im Folgejahr; ihre Anleihekäufe wird sie im Frühjahr beenden.

Der Startschuss für eine amerikanische Zinserhöhungsrunde könnte schon in wenigen Monaten fallen. Die Renditen für amerikanische Staatsanleihen haben darauf reagiert, die Renditekurve hat sich nach oben verschoben. Es kann gut sein, dass dann tatsächlich eintretende Zinsanhebungen – kommuniziert wurden sie schon – dem längeren Ende des Kapitalmarktes gar nichts mehr anhaben können.

Die EZB hingegen vertraut offensichtlich auf den temporären Charakter der Inflationsentwicklung. Ist der Inflationsverlauf jedoch ein anderer – und Gründe gibt es wie geschildert –, wird sie ebenfalls zu Aktionen gezwungen sein. Aus heutiger Sicht dürfte der Anleihemarkt der Eurozone darauf ungenügend vorbereitet sein. Stärker als erwartet ansteigende Renditen belasten oftmals auch die Aktienmärkte. Höhere Diskontierungssätze üben Druck auf die Gegenwartswerte – also die heutigen Aktienkurse – aus. Doch auch die Immobilienmärkte kämen ins Wanken. In Europa (wie auch in den USA) haben die Immobilienpreise über die vergangenen Jahre hinweg enorm zugelegt. So wie fallende Zinsen die Preisanstiege angefacht haben, wird ein starker Zins- und Renditeanstieg zu Preisrückgängen führen. Die Vermögensposition des privaten Sektors würde erheblich geschmälert werden, wenn die Preise auf wichtigen Vermögensmärkten (Aktien, Immobilien) sinken. Spill-Over-Effekte negativer Art auf die Realwirtschaft folgten auf dem Fuße. Erneut gäbe es nur zwei Institutionen, die mit bekannten Rezepturen aus der Lehman- und Corona-Krise „retten“ könnten: Notenbanken und Regierungen.

 

Verschuldung und Fiskalregeln

Ökonomischer Populismus ist wieder in, und zwar im Sinne einer expansiven Fiskalpolitik. Diskretionäre Fiskalprogramme hübsch verpackt („Build Back Better“ in den USA oder „Next Generation“ in der EU), sind gesellschaftlich akzeptiert. Austerität war gestern. Grundsätzlich ist gegen eine aktive staatliche Ausgabenpolitik nichts einzuwenden, solange die damit finanzierten Investitionen Erträge abwerfen, die über den jetzigen niedrigen Kreditzinsen liegen. Allerdings ist das Wagnersche Gesetz wachsender Staatsausgaben eine Mahnung, es kann zur so genannten „fiskalischen Dominanz“ führen: Die expansive Fiskalpolitik erzwingt eine expansive Geldpolitik. Die Unabhängigkeit einer Notenbank reduziert sich dann darauf, möglichst lange möglichst niedrige Zinsen zu liefern, bis hin zur Zinskurvenkontrolle. Regierungen wissen aber auch, dass Niedrigzinsen kein Dauerzustand sind. Daher passt es ins Bild, wenn in der EU über neue Fiskalregeln diskutiert wird oder Ausgabenprogramme so strukturiert werden, dass sie nicht in die Berechnung von Defiziten und Schuldenständen einbezogen werden. Bonitätsstarke Länder (Deutschland, USA) müssen bei einer Ausweitung ihrer staatlichen Ausgaben und höheren Schuldenstandsquoten kurzfristig nichts befürchten. Die Länder der EWU-Peripherie allerdings könnten unter Druck geraten, wenn neue, großzügige Fiskalregeln wieder eine Diskussion über die Schuldentragfähigkeit öffentlicher Finanzen lostreten. Dies dürfte unmittelbar zur Belastung für den Unternehmenssektor eines mit diesem Makel behafteten Landes werden.

Grüne Transformation & Bitcoin

Das Ziel eines klimaneutralen Wirtschaftens hat schon und wird weiterhin einen massiven, womöglich noch gar nicht überblickbaren ökonomischen und ökologischen Strukturwandel in Gang setzen. Darin liegen Risiken und Chancen. Risiken dergestalt, dass manche Aktivitäten immer unwirtschaftlicher werden (etwa Kohleverstromung, Förderung fossiler Energien). Zugleich entstehen neue Geschäftsfelder rund um die Dekarbonisierung und die Erzeugung alternativer Energien, Antriebstechniken und Ähnlichem. Noch aber ist von Ausnahmen wie etwa Tesla abgesehen, die Verbindung zwischen der „grünen Transformation“ und Aktieninvestments lose. Viele Start-Ups tummeln sich in diesem Feld, die Investitionslandschaft entwickelt sich erst. Trotz positiver Nachrichten konnten sich die bisher etablierten Unternehmen aus dem Bereich Erneuerbare Energien noch nicht durchsetzen. Aufgrund des politischen Willens und damit einhergehender höherer Nachfrage kann sich das künftig aber ändern. Unklar ist zudem, was die EU und die Weltgemeinschaft unter „grünem Wirtschaften“ versteht: Ist nukleare Energie „grün“? Eine Transformation auf einem anderen Feld wird sich ebenfalls fortsetzen. Alternative Währungen (Kryptowährungen) sind eine (mächtiger werdende) Konkurrenz zu den bekannten Fiat-Währungen.

 

Die Risiken: Pandemie & Politik

Kein Jahr ohne Risiken. Die Pandemie könnte schlimmstenfalls zu neuerlichen Lockdowns mit erheblichen Wachstumseinbußen führen. Politische Krisenherde kommen hinzu; es schwelen Konflikte zwischen China und Taiwan, zwischen Russland und der Ukraine; das Hegemoniestreben Russlands in den ehemaligen Sowjetrepubliken (Belarus, Kasachstan) kommt hinzu. Der Nahost-Konflikt ist ein Dauerthema. Wahlen stehen an. In den USA droht den Demokraten eine Niederlage bei den Midterm-Elections, sie könnte der Anfang vom Ende der Präsidentschaft Bidens sein; Frankreich wählt einen neuen Präsidenten, Kandidaten aus dem rechten Spektrum sorgen für Aufsehen. Die Zukunft der italienischen „Technokraten-Regierung“ unter Führung des früheren EZB-Präsidenten Draghi ist ungewiss. Genug Stoff also für volatile und schwer vorhersehbare Trends auf den Kapitalmärkten.

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