Neo-Ökologie: Das große Umdenken der Wirtschaft
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Neo-Ökologie: Das große Umdenken der Wirtschaft

17. August 2021

Lesezeit: 6 Minuten

Die Art und Weise unseres Wirtschaftens trägt maßgeblich zum Klimawandel bei. Doch es findet ein Umdenken statt. Das wachsende Umwelt- und Verantwortungsbewusstsein der Menschen beeinflusst nicht nur unsere Gesamtgesellschaft und ist zum Konsumtrend geworden, sondern unter dem Begriff Neo-Ökologie auch zur Nachhaltigkeitsstrategie von Unternehmen geworden.

Nachhaltiges Konsumieren liegt im Trend

Biolebensmittel liegen im Trend. Laut der Studie „Bio im Aufwind“ der Unternehmensberatung PwC kauft inzwischen fast ein Viertel der Bundesbürger mehr Bio- als konventionelle Nahrungsmittel. Allein im vergangenen Jahr verzeichnete die Biobranche laut dem Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft einen Zuwachs von 22 Prozent. Ein Konsumtrend. Gleichzeitig stellt das von dem Zukunftsforscher Matthias Horx gegründete Zukunftsinstitut fest, dass sich heute 80 Prozent der Menschen hierzulande Sorgen um den Zustand der Umwelt machen, 82 Prozent der Europäer ihren Müll trennen und 70 Prozent aktiv versuchen, umweltschädliche Produkte zu vermeiden.

Fortgesetzter Klimawandel trotz steigendem Umweltbewusstsein

So weit die guten Nachrichten. Dennoch setzt sich der Klimawandel fort, gehen die Emissionen kaum zurück, verschwindet die Artenvielfalt und werden Ressourcen zu schnell aufgebraucht. Letzteres verdeutlicht ein Blick auf den Earth Overshoot Day, also den Tag, an dem alle Ressourcen der Erde für das jeweilige Jahr aufgebraucht sind. Im Jahr 2000 war das noch am 23. September der Fall, 2019 war es bereits der 29. Juli. Das heißt, der Weltüberlastungstag findet immer früher statt. Derzeit verbrauchen wir – so stellt das Global Footprint Network fest – die nachwachsenden Ressourcen von über 1,7 Erden. Zugleich steigt die Emission von Treibhausgasen seit Mitte der 1990er-Jahre kontinuierlich an. Laut Statistikportal Statista kletterte sie seitdem von rund 23,3 auf etwa 36,4 Milliarden Tonnen im vergangenen Jahr. Lediglich in zwei Jahren stagnierte sie: im Jahr der Finanzkrise 2009 und im Coronajahr 2020. Insgesamt aber, so die Konsequenz, erwärmt sich die Erde immer weiter. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes ist die weltweite Durchschnittstemperatur in den vergangenen 20 Jahren stetig gestiegen. Im vergangenen Jahr lag sie rund ein Grad über der Temperatur des vorindustriellen Zeitalters.


Und machte in Deutschland laut Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erneuerbare Energie am Stromverbrauch im Jahr 2000 gerade mal 6 Prozent aus, so waren es im vergangenen Jahr 46 Prozent. Gleichzeitig hat die Europäische Union Plastiktüten verboten und versucht, durch den Zertifikatehandel mit CO2-Emissionen die Industrie dazu zu bewegen, wegzukommen von fossilen Brennstoffen. Mit anderen Worten: Umweltbewusstsein und nachhaltiges Verhalten etablieren sich hierzulande und auch im übrigen Europa immer mehr.

Nachhaltigkeit wird zur Bewegung
der Gesamtgesellschaft

Dies ist, so stellen Wissenschaftler fest, die Folge unserer Art zu leben, des Wirtschaftens der Gesamtgesellschaft. In den 1950er-Jahren beanspruchte jeder Mensch hierzulande vier Quadratmeter beheizte Wohnfläche, heute sind es 39 Quadratmeter. Heute verreisen die Menschen zwei- bis dreimal im Jahr – per Auto oder mit dem Flugzeug. Jedes Jahr werden weltweit rund 400 Millionen Tonnen Plastik produziert, rund zehn Millionen Tonnen davon landen in den Meeren. Die Wachstumsrate in der Plastikproduktion liegt, wie das Zukunftsinstitut in seiner Trendstudie über Neo-Ökologie feststellt, bei 8,4 Prozent pro Jahr und damit deutlich über dem weltweiten Wirtschaftswachstum.

Ökologie – von der Nische
zum Megatrend mit Mehrwert

Dies alles, so die Forscher des Zukunftsinstituts, führe allerdings auch zunehmend zu einem neuen weltweiten Umweltbewusstsein. Sie bezeichnen das als Neo-Ökologie, einen Megatrend, und meinen damit „einen großen gesellschaftlichen Veränderungsprozess hin zu einem ressourceneffizienten, nachhaltigen Wirtschaften“. Nachhaltiges Verhalten in allen seinen Ausprägungen wird damit von einem individuellen Lebensstil mehr und mehr zu einer gesellschaftlichen Bewegung, von der Nische zum Megatrend. Am Global Climate Strike von Fridays for Future im September 2019 zum Beispiel nahmen rund 7,6 Millionen Menschen in 185 Ländern teil. Dies zeigt, wie die Klimakrise zur „Grundlage einer neuen globalen Identität“ wird, wie die Zukunftsforscher feststellen.

Wertewandel – Massenkonsum und Wegwerfgesellschaft
in der Kritik

Und genau dieser Megatrend beeinflusst sämtliche Bereiche der Gesellschaft, unseren Alltag, die Politik und schließlich auch die Wirtschaft. Diese Entwicklung, so das Zukunftsinstitut, zieht nicht nur einen Wertewandel der globalen Gesellschaft, der Alltagskultur und der Politik nach sich. Sie erschüttert zudem unternehmerisches Denken und Handeln in seinen elementaren Grundfesten. Letzteres hat vor allem damit zu tun, dass die Neo-Ökologie davon ausgeht, dass sich damit auch das Bewusstsein der Konsumenten verändert.

Nachhaltigkeitsstrategie als Wettbewerbsvorteil

Das bedeutet, dass Unternehmen, die ohne eine Nachhaltigkeitsstrategie nur im Sinne des Massenkonsums und der Wegwerfgesellschaft handeln, zunehmend in die Kritik geraten. Es geht heute, so der Gedanke, nicht mehr um Gewinnmaximierung in möglichst kurzer Zeit, sondern darum, echte Verantwortung zu übernehmen und einen Beitrag für eine bessere Welt zu leisten. Ein Beispiel ist die Neumarkter Brauerei Lammsbräu. Sie braut immer nur so viel Bier, wie sie Hopfen aus ihrer Region nachhaltig gewinnen kann. Das heißt Produktion im Einklang mit der regionalen Umwelt. Keine Gewinnmaximierung mehr um jeden Preis.

Oder das Berliner Start-up Share. Es verkauft Biolebensmittel, Hygieneprodukte und Mineralwasser. Und immer, wenn ein Kunde eines der Produkte kauft, bekommt ein Mensch in Not ein äquivalentes Produkt. Wer also einen Müsliriegel erwirbt, spendet damit automatisch einem anderen Menschen eine Mahlzeit. Ein weiteres Unternehmen, das die Forscher des Zukunftsinstituts anführen, ist die Modefirma Armed Angel. Diese hat den Anspruch, jedes Kleidungsstück von Grund auf fair und ökologisch zu produzieren. Kein einziges ihrer Produkte darf die Umwelt gefährden oder zum Nachteil für die Menschen werden. Unternehmerisch-ökologisches Handeln ist schon lange kein Alleinstellungsmerkmal mehr.

Neue Kaufentscheidungen
und Marktprozesse

Mit anderen Worten: Unternehmen müssen sich an die neuen Marktprozesse und die neuen Bedürfnisse und Kaufentscheidungen der Konsumenten anpassen oder sie werden es künftig schwer haben, sich am Markt zu behaupten. Es wird für sie zunehmend wichtiger, statt fossiler Brennstoffe erneuerbare Energie einzusetzen, Müll so weit wie möglich zu vermeiden, die Kreislaufwirtschaft zu berücksichtigen, die Share Economy zu verinnerlichen, nachhaltig zu bauen oder auf Elektromobilität zu setzen. Oder in Green Tech zu investieren, also in Technologien, die Belastungen für die Umwelt vermeiden oder verringern. Immer mehr Unternehmen, so stellt das Zukunftsinstitut fest, rüsten ihre Rechenzentren bereits um, um Strom zu sparen. Das schont die Umwelt und senkt zugleich die Kosten.

Aktuelle Konsumtrends ermöglichen
neue Gewinnchancen

Aber es geht nicht nur um Umweltbewusstsein und Umweltschutz, sondern vielmehr darum, das große Ganze im Blick zu haben. Firmen müssen künftig nicht nur ökologische, sondern auch soziale Verantwortung übernehmen und eine echte ethische Unternehmensführung verfolgen. „Aufgabe der Politik ist es dabei, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu setzen und dies durch Regulierungen einerseits und Anreize andererseits voranzutreiben“, schreibt Burkhard Allgeier, CIO und Geschäftsführer von H&A Global Investment Management, in seiner nachfolgenden Kolumne. Wichtig ist dabei aber vor allem eines: Nachhaltiges Verhalten und Ökonomie müssen keine unvereinbaren Gegensätze sein, wie der Experte weiter feststellt. Vielmehr – und das bestätigen die angeführten Beispiele – ist es auch in diesem neuen Umfeld möglich, Gewinne zu erwirtschaften.

Neo-Ökologie oder warum Wachstum und Nachhaltigkeit kein Widerspruch sind

  • Muss ökonomisches Handeln unter dem Blickwinkel des Begriffs „Neo-Ökologie“ neu ausgerichtet werden?
  • Etabliert sich damit ein Megatrend, der die Ökonomie und das wirtschaftliche Handeln revolutioniert?
     

Ein Megatrend als Wirtschaftsfaktor?

Verfolgt man den gesellschaftlichen Diskurs hierzu, würde man die Frage nach dem neuen Megatrend bejahen. Im Grunde genommen ist dem aber nicht so. Es sind nur wenige seit Langem bekannte ökonomische Grundprinzipien zu beachten, um die vermeintliche Unvereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie zu überwinden. So ist zum einen das Eigentumsrecht auf Gewinn zu schützen. Dann können sich nachhaltig erfolgreiche Wirtschaftssysteme entwickeln, die die Versorgung einer Volkswirtschaft mit umweltverträglich und -schonend hergestellten Gütern und Dienstleistungen sicherstellen und gleichzeitig Anreize für Innovationen liefern. Tesla beispielsweise sah früh in der den CO2-Ausstoß vermeidenden Elektromobilität ein zukunftsweisendes Geschäftsmodell. Daher gebühren die Pioniergewinne diesem Unternehmen.

Umweltkosten lenken
Produktion und Konsum

Zum anderen ist die Umwelt – ihre Nutzung als auch die Verschmutzung – konsequent und wo immer möglich in den Marktmechanismus zu integrieren. Die Umwelt war für den volkswirtschaftlichen Produktionsprozess lange Zeit eine kostenlose Ressource, ein öffentliches Gut. Negative externe Effekte (der ökonomisch- technokratische Begriff für Umweltverschmutzung) wurden nicht internalisiert, also nicht gemäß dem Verursacherprinzip zugeordnet. Kosten im Sinne von Umweltschäden entstanden zwar, wurden aber sozialisiert. Das hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend geändert. Die Bepreisung von CO2-Emissionen ist eines der jüngsten Beispiele hierfür, der Handel mit Verschmutzungsrechten ein anderes. Es handelt sich um Lenkungsabgaben, um Produktion und Konsum in eine gewünschte Richtung mit geringer Umweltbelastung zu lenken. Die geringste Belastung träte dann ein, wenn das Aufkommen solcher Abgaben gleich null wäre – wohl nur ein theoretisches Ergebnis.

Regulierungen dürfen
den Wettbewerb nicht verzerren

Aber nicht alle Arten von Umweltverschmutzung lassen sich klar umreißen, messen und auch korrekt bepreisen. Ergänzend müssen auch Ge- und Verbote Anwendung finden. Hier dürfte der gewinnbringende Ansatzpunkt von Neo-Ökologie liegen, da er dann greift, wenn Marktmechanismen „versagen“. Das FCKW-Verbot etwa dient dem Schutz der Ozonschicht; die Plastiktüte als „Inbegriff der Ressourcenverschwendung“ wird ab 2022 aus deutschen Supermärkten verbannt (wenn auch nicht ganz); das neue Lieferkettengesetz soll umweltschädigende oder gegen Arbeitsbedingungen verstoßende Produktionsverfahren aufdecken und Unternehmen in Haftung nehmen. Solche Eingriffe – so berechtigt sie sein mögen – müssen aber sparsam erfolgen. Die Regulierung darf den Wettbewerb nicht unterbinden oder verzerren. Letztlich müssen soziale wie ökologische oder auch Governance-bezogene (ESG-)Kriterien, die derzeit in aller Munde sind, auch wirtschaftlich erzeugt werden können. Zwischen nichtfinanzieller, ökologischer, nachhaltiger Rendite und finanzieller Rendite muss eine Balance gefunden werden.

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