Dollar: Lässt der (Fed-)Rückenwind nach?
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Dollar: Lässt der (Fed-)Rückenwind nach?

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25. August 2021

Lesezeit: 4 Minuten

In den vergangenen Wochen testete EUR/USD das untere Ende unserer erwarteten Range von 1,16 bis 1,25 für 2021. Vor allem die Fed-Erwartungen an ein zügiges Drosseln der Anleihekäufe (Tapering) waren hier ursächlich. Daneben spielt der antizyklische Charakter der US-Währung und damit die aktuelle Konjunkturschwäche in Teilen der Welt eine Rolle. Wie geht es 2021 und dann 2022 weiter?

Covid ist noch immer da

Als die US-Notenbank am vergangenen Freitag ihre Pläne für ein persönliches Symposium in Jackson Hole aufgab, sandte sie ein Signal aus, das die Investoren nicht übersehen sollten. Konkret schrieb die Kansas City Federal Reserve Bank in einer Erklärung auf ihrer Website, dass "aufgrund des kürzlich erhöhten Covid-19-Gesundheitsrisikos“ die jährliche wirtschafts- und geldpolitische Konferenz am Freitag, den 27. August, nur virtuell stattfinden wird.

Die Entscheidung der Fed, ihre eigene Veranstaltung abzusagen, ist bezeichnend für einen allgemeinen Rückgang der Wirtschaftstätigkeit angesichts der zunehmenden Besorgnis über das Virus. Neue Daten der Transportation Security Administration (TSA) zeigen eine Verlangsamung des Reiseverkehrs: Die Zahl der Personen, die die TSA-Kontrollstellen passierten, sank am vergangenen Freitag um 10 % gegenüber dem jüngsten Höchststand von Mitte Juli. Die Daten des Restaurant-Bookers OpenTable zeigen zudem einen erneuten Rückgang der Reservierungen in den USA. Die Ökonomen von Oxford Economics sagen, dass ihr Aufschwung-Tracker, eine Zusammenstellung von etwa zwei Dutzend Indikatoren, ins Stocken geraten ist, da die Verbraucher vorsichtiger werden und die allgemeine Mobilität abnimmt.

Die Entscheidung der Fed spiegelt wider, wie die US-Währungshüter die größte Unbekannte der Wirtschaft sehen. Seit dem Ausbruch der Pandemie hat der Vorsitzende der US-Notenbank, Jerome Powell, beteuert, dass der Konjunkturverlauf vom Verlauf des Virus abhängen wird. In seiner Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch sagte er, dass die aufeinanderfolgenden Covid-Wellen zwar abnehmende wirtschaftliche Auswirkungen hätten, räumte aber gleichzeitig das Risiko ein, dass von der Delta-Variante und künftigen Mutationen weiter ein Abwärtsrisiko ausgehe. "Solange Covid da draußen frei herumläuft, solange es Zeit und Raum für die Entwicklung neuer Stämme gibt, ist niemand wirklich sicher", sagte Powell und merkte an, dass jeder Rückgang der Aktivitäten, von der Innengastronomie bis zu Schuleröffnungen, die Wirtschaft belasten könnte.  "Wir wissen nicht genau, wie sich das auswirken wird, also werden wir es genau beobachten", so der Fed-Chef.

Die Ziele und das Tapering

Fakt ist, dass die US-Notenbank erst eines ihrer zwei Ziele mit der Einstufung „substanzieller Fortschritt erzielt“ versieht. Während dies auf die Entwicklung der Verbraucherpreise zutrifft, steht der US-Arbeitsmarkt weiter unter Beobachtung. Diese Evaluation dürfte wegen „Delta“ nun deutlich schwieriger ausfallen.

Seit der vergangenen Fed-Sitzung im Juli sind die Fortschritte beim Beschäftigungsaufbau sogar bei gleichzeitig steigenden Delta-Risiken eingetreten. So bescheinigte der Arbeitsmarktbericht vom Juli ein Plus von 943.000 neu geschaffenen Stellen. Allerdings gab es die beiden vergangenen Wochen jeweils deutlich schlechter als erwartete Daten zum Verbrauchervertrauen und den Einzelhandelsumsätzen.

Neben der nationalen Konjunkturbrille schaut die Fed auch auf das globale Makro-Bild. Und hier fallen die aktuellen Aktivitätskennziffern Chinas negativ auf. Deren Überraschungen auf der Unterseite verdeutlichen die kurzfristige Wachstumsabkühlung in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Daneben sind am aktuellen Rand auch die zurückgehenden Rohstoffpreise, insbesondere bei Rohöl, zu konstatieren. Dies bestätigt das deflationäre Signal vom Bondmarkt.

Kann die US-Notenbank in diesem Umfeld wirklich ihre Anleihekäufe drosseln? Nein! Denn die Unterstützung für die Wirtschaft zu früh zurückzunehmen, ist um ein Vielfaches schädlicher, als zu lange an einer geldpolitischen Flankierung festzuhalten. Die Fed dürfte unseres Erachtens mindestens noch den August-Arbeitsmarktbericht abwarten – er wird Anfang September veröffentlicht – und bei Zweifeln an dessen Aussagefähigkeit im Lichte der jüngsten Delta-Ausbreitungen auch den Septemberbericht abwarten.

Erst dann wird es seitens US-Währungshüter einen Tapering-Fahrplan geben. Stand heute ist das Risiko, dass die Fed ihre Pläne zur Drosselung der Anleihekäufe erst im Schlussquartal vorlegt, nicht unwesentlich gestiegen.

Was hat das alles mit dem Dollar zu tun?

Da die Risikoaversion im Falle stärkerer Delta-Effekte ansteigen dürfte, kommt die Safe-Haven-Eigenschaft des Greenback zum Tragen. Die Dollarnachfrage sollte steigen und mit ihr der Außenwert der Währung. Grundsätzlich hat die US-Währung aber noch weitere Eigenschaften. So ist sie eine antizyklische Währung. Die US-Ökonomie ist generell weniger zyklisch als die viele ihrer Handelspartner. Bei einer globalen Wachstumsbeschleunigung tendiert das internationale Kapital dazu, in die Regionen mit der stärksten Wachstumsamplitude zu strömen und umgekehrt. Sollten sich die Konjunkturwolken über China und wichtigen Schwellenländern weiter zuziehen, verbleibt mehr Kapital in den Vereinigten Staaten, da die anderen Regionen weniger attraktiv sind. Zudem könnten sich die Tapering-Pläne – wie geschrieben – verzögern. Zwischenfazit I: Alles Dollar-positiv.

Gleichzeitig gilt es mit Blick auf die US-Wirtschaft neben den oben genannten partiellen Eintrübungen auch einen Blick auf die Entwicklung der Verbraucherpreise zu werfen. Darüber hinaus ist der Vergleich zur Europäischen Zentralbank von Relevanz. Aber der Reihe nach.

(US-) Inflation 2022 deutlich rückläufig

Im Gegensatz zum Marktkonsensus erwarten wir ab dem kommenden Quartal zum Teil deutlich niedrigere Inflationsraten für die Vereinigten Staaten. Und selbst wenn die Verbraucherpreise 2022 temporär nochmal stärker anziehen sollten, so dürfte das Inflationsziel der Fed von 2 % (PCE) verfehlt werden. Während der Markt also Raten um die zweieinhalb Prozent erwartet, gehen wir von einem Durchschnittswert 2022 knapp unter 2 % aus.

Die größte Flanke für diese Erwartung sind die sogenannten „Bottlenecks“ – also die Engpässe und Lieferschwierigkeiten bei einer Reihe von Vorprodukten. Sofern sich diese weiter auflösen, dürften auch die Preise der entsprechenden Produkte wieder fallen. Hier kommt es in den kommenden Monaten darauf an, wie sehr sich das Nachfrageverhalten weiter normalisiert. Sollten die neuen Delta-Risiken hier für eine Verzögerung sorgen, könnten auch die Bottlenecks länger Bestand haben. Dies liegt daran, dass Produktionskapazitäten für die im „Lockdown“ stärker nachgefragten Güter und Dienstleistungen (weiter) ausgeweitet werden müssten, was Zeit in Anspruch nimmt. Im Basisszenario erwarten wir jedoch, dass die Fed ihr Inflationsziel 2022 nicht erreicht. Damit stünden die US-Währungshüter vor dem inzwischen nicht mehr ganz neuen Problem, die Leitzinsen nicht wie geplant anheben zu können. Zwischenfazit II: Mit Blick auf die höhere Kaufkraft des US-Dollars im Zuge der zeitnah wieder schwächeren Inflation ist dem Greenback Rückenwind zu bescheinigen (Dollar-positiv). Wenn die Fed jedoch ihre Zinserhöhungsfantasien Anfang kommenden Jahres oder früher drosseln muss, wäre dies USD-negativ.

EZB versus FED: Stoisch expansiv

Die EZB muss angesichts einer zu erwartenden Inflationsentwicklung, die sich 2022 im Schnitt noch weiter als bei der Fed unter der Marke von 2 % einpendeln dürfte, ihren Instrumentenkasten weit offenlassen. Darunter fällt insbesondere, dass die Anleihekäufe in einem bestimmten Rahmen auch über Q1 2022 fortgesetzt werden dürften. Und auch von der Möglichkeit, die Leitzinsen weiter zu senken, sollte nicht frühzeitig abgerückt werden. Beim transatlantischen Vergleich der Geldpolitik ist zu konstatieren, dass die Divergenz aufgrund von „Delta“ (Fed lässt sich mehr Zeit) womöglich geringer ausfällt als in den vergangenen Wochen vermutet. Dennoch dürfte die EZB unseres Erachtens länger als ihre große Schwester im Unterstützungsmodus bleiben. Zwischenfazit III: Leicht USD-positiv.

EUR/USD: 2022 bei durchschnittlich 1,22

Die untere Grenze unseres diesjährigen EUR/USD-Prognosekorridors von 1,16 wurde in den vergangenen Wochen auf Bestand getestet. Das lag insbesondere an den Fed-Erwartungen hinsichtlich Tapering. Sollte die Fed trotz „Delta“ im September ankündigen, die Anleihekäufe per Ende des Jahres zu drosseln, erwarten wir einen erneuten Test dieser Marke. Ein temporäres „Unterschießen“ von 1,16 (Overshooting nach unten) können wir uns dabei gut vorstellen. Bei einer Verschiebung rechnen wir zunächst mit einer Seitwärtsbewegung um aktuelle Niveaus. Im Zuge der skizzierten (US-)Inflationsentwicklung, der Kaufkraftparität (EUR-Unterbewertung) und einer aufholenden EU-Konjunktur erwarten wir EUR/USD 2022 im Schnitt bei 1,22.

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