Die drei wesentlichen Faktoren für die chinesische Konjunktur
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Die drei wesentlichen Faktoren für die chinesische Konjunktur

Neues aus dem Investment-Office: Ulrike Rondorf zur Einfluss der Volksrepublik auf das Börsengeschehen

12. September 2023

Lesezeit: 5 Minuten

Wie sehr beeinflusst China das Geschehen an den Aktienmärkten? Gerade im September lohnt der Blick nach Asien, denn die wirtschaftliche Entwicklung in der Volksrepublik hat auch Auswirkungen auf die Anlegerinnen und Anleger weltweit. Dr. Ulrike Rondorf, Head of Investment Strategy, gibt in unserer Rubrik „Neues aus dem Investment-Office“ einen tieferen Einblick in die wesentlichen Einflussfaktoren wie etwa den chinesischen Immobiliensektor oder die Nachfrage nach Produkten aus China. Und wagt auf der Basis einen Ausblick für die kommenden Wochen.

Von Dr. Ulrike Rondorf, Head of Investment Strategy bei Hauck Aufhäuser Lampe

Eine strategische Vermögensstruktur ist eine wesentliche Voraussetzung für einen langfristigen Anlageerfolg. Allerdings entwickeln sich die einzelnen Anlagebereiche nicht gleichförmig, sondern sind im Laufe der Zeit von einer Vielzahl an Einflussfaktoren abhängig. Wie wirken sich also aktuelle wirtschaftliche, politische und geopolitische Entwicklungen auf Aktien, Anleihen oder weitere Anlageformen wie Gold aus? Das ist eine Frage, die sich ein aktives Asset Management regelmäßig stellen muss. Was ist also im September besonders relevant?

Die Aktienmärkte sind schwach in den September gestartet. So notiert der DAX derzeit wieder klar unter der Marke von 16.000. Was sind die Treiber für diesen Rückgang?

In meinen Augen sind die Erwartungen an die Notenbankpolitik weiterhin der zentrale Treiber für das Auf und Ab an den Märkten. In den vergangenen Wochen haben aber zusätzlich Nachrichten aus China für Ausschläge gesorgt. So wurden enttäuschende Daten zum Einzelhandel und den Unternehmensinvestitionen veröffentlicht, die unterstrichen, dass die Post-Covid-Erholung in China magerer ausfällt als erhofft. Zudem bewegten die Schlagzeilen zu einzelnen Immobilienentwicklern wie Country Garden und die politischen Maßnahmen der Regierung und der Zentralbank die globalen Aktienmärkte.

Warum macht sich in China denn die Öffnung nach den Corona-Beschränkungen nicht so positiv bemerkbar wie in den USA oder Europa? Welche Sorgen haben die Marktteilnehmer?

Das würde ich so gar nicht sagen. Es ist sicherlich derzeit eine andere Marktphase an den globalen Finanzmärkten als noch im Jahr 2021: Vor zwei Jahren wirkten die fiskal- und geldpolitischen Impulse der Corona-Notmaßnahmen positiv, nun beschäftigen wir uns in vielen Industrieländern mit den negativen Nebeneffekten dieser Politik, sprich einer höheren Inflation und höheren Zinsen. Mit Blick auf die fundamentale Situation in China möchte ich darauf hinweisen, dass die chinesische Wirtschaftsleistung laut den Konsensprognosen der Bankenvolkswirte im Jahr 2023 immerhin 5,0 % gegenüber dem Vorjahr wachsen dürfte. Die Geldpolitik ist expansiv ausgerichtet und unterstützt so die Konjunktur. Auch die Regierung hat auf die schwächelnde Konjunktur reagiert und kumuliert Maßnahmen von 1 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf den Weg gebracht.

Die Marktteilnehmer diskutieren aktuell über die Regulierung am Immobilienmarkt, über das mittelfristige Potenzialwachstum Chinas und über die Zielsetzung eines sozialeren Wachstums. Das Risiko einer ausgewachsenen Schuldenkrise ist ein signifikanter Belastungsfaktor für die internationalen Finanzmärkte, und diese Unsicherheit schwingt derzeit bei jedem Datenpunkt mit.

Wie schätzt Ihr derzeit die wirtschaftliche Lage in China ein? Warum ist dies wichtig für Eure Markteinschätzung und die aktuelle Asset Allokation?

Durch meine europäische Brille betrachtet, ist der chinesische Markt zunächst als Absatzmarkt und Produktionsstandort für die europäischen Unternehmen wichtig. Deren Gewinne hängen zu rund 10 % von China ab.

Meines Erachtens leidet Chinas Konjunktur unter drei Faktoren:

1. Globale Nachfrage: Die Produktnachfrage der Industrienationen wächst weniger dynamisch, da die Konjunktur dort schwächelt. Zudem werden die chinesischen Ausfuhren dadurch belastet, dass viele Unternehmen ihre Lieferketten angesichts der geopolitischen Spannungen neu ausrichten.

2. Krise des Immobiliensektors: Dieser Sektor birgt die größten Risiken. Nach Jahrzehnten mit einem hohen Bevölkerungswachstum in den Städten nimmt die Nachfrage aufgrund der demografischen Entwicklung ab. Doch nicht nur fundamentale Entwicklungen führten zu einem Rückgang der Immobilienpreise, sondern auch Spekulationen und die Aktivitäten lokaler Regierungen in China. 30 % der Einnahmen dieser Verwaltungsebene stammen laut dem Internationalen Währungsfonds IWF aus Landverkäufen. Um den Boom abzukühlen, hat die Regierung in Peking im Jahr 2020 „rote Linien“ für Projektentwickler beschlossen. Zudem wurden Wohnungskäufe beschränkt. Da die Entwickler weniger Projekte gestartet und die lokalen Regierungen entsprechend weniger eingenommen haben, ist die Verschuldung auf beiden Ebenen rasant gestiegen – teilweise versteckt in öffentlichen Finanzierungsgesellschaften. Der IWF schätzt die Verschuldung alleine dieser Gesellschaften auf 47 % des chinesischen BIPs. Bei den Immobilienunternehmen bereitet der kurzfristige Refinanzierungsbedarf bis Jahresende den Marktakteuren Sorgen. Laut einer Bloomberg-Studie beläuft sich dieses Volumen auf 14,7 Bio. Yuan – das sind umgerechnet 2 Bio. US-Dollar oder 12 % des chinesischen BIP.

3. Schlechte Stimmung: „Wirtschaft ist zu 50 % Psychologie“, sagte einst schon der deutsche Bundeskanzler Ludwig Erhard. Die privaten Konsumenten in China blicken wohl angesichts der mauen Lage in einigen Sektoren weniger optimistisch in die Zukunft und halten sich so bei Sonderausgaben zurück. Des Weiteren leidet der Konsum unter negativen Wohlfahrtseffekten aufgrund fallender Immobilienpreise. Die Regierung dürfte weiterhin versuchen, aus der Krise herauszuwachsen und von einer großen Restrukturierung der Schulden abzusehen. Die Reparatur der Bilanzen wird aber wohl lange dauern, zumal das Wachstum ohne die Impulse des Immobiliensektors nicht zu alter Stärke zurückkehren wird.

Wie seid ihr für die kommenden Wochen positioniert?

Mit Blick auf die kommenden Wochen wird es für den Aktienmarkt von essenzieller Bedeutung sein, wie stark sich die Marktteilnehmer mit der Gegenwart beschäftigen müssen. Diesbezüglich sind die Nachrichten aus China wichtig. Es geht dabei teilweise gar nicht um die fundamentale Bedeutung neuer Informationen für die europäischen und amerikanischen Märkte, sondern vielmehr um die Fokussierung auf die Gegenwart. Es gilt selbstverständlich weiterhin, dass an den Börsen die Zukunft gehandelt wird. Dort dominiert weiterhin die Hoffnung auf eine KI-Revolution. Aber wir erwarten mit Blick auf das Gros der nun anstehenden Konjunktur- und Unternehmensdaten, dass die Erwartungen an das Gewinnwachstum der börsennotierten Unternehmen in den kommenden Monaten zu hoch sind. Die durchwachsene Nachrichtenlage in China erhöht somit in unseren Augen die Wahrscheinlichkeit, dass die Marktteilnehmer ihren Fokus auf das schwierige Winterhalbjahr schwenken werden. In diesem Umfeld haben wir in der Sitzung unseres Investment-Komitees beschlossen, dass wir Aktien in unseren Portfolios weiterhin niedriger als in der Benchmark gewichten und Anleihen höher.

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