Kurveninversion: Droht eine Rezession?
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Kurveninversion: Droht eine Rezession?

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26. April 2022

Lesezeit: 7 Minuten

Die Konjunktursorgen, getrieben von den beiden exogenen Schocks Pandemie und Krieg und der antizipierten Reaktion der Zentralbanken auf die Inflationsentwicklung, nehmen zu. Die Form der Renditestrukturkurve kann ein Mittel sein, um zukünftige Rezessionen möglichst frühzeitig zu erkennen. Dabei behält der 2/10er US-Treasury-Spread seine prominente Rolle, sollte aber erweitert werden.

Rezessionsindikator

Die Steigung der Renditestrukturkurve liefert größtenteils hervorragende Indikationen für die zukünftige konjunkturelle Entwicklung sowie die Entwicklung wichtiger Assetklassen. So gab es im Vorfeld der vergangenen sieben von acht Rezessionen eine Inversion beim 2/10er US-Treasury-Spread (Steigung). Dabei ist eine Inversion als Spread bzw. Steigung < 0 über zwei konsekutive Monate definiert. Lediglich im Vorfeld der jüngsten Rezession (2020) lag die 2/10er Steigung zum Monatsende nie unter 0. Dies konnte allerdings die Steigung, gemessen an der 3-Monats Bill-Rate und 10-j. US-Treasury-Rendite, wettmachen. Im Vorfeld aller acht vergangenen Rezessionen war die Steigung ab einem bestimmten Zeitpunkt negativ.

Welche Vorlaufeigenschaft besitzen die beiden genannten Steigungen? Während der 2/10er Spread im Durchschnitt rund 16 Monate vor einer Rezession invertierte, lieferte der 3-Monats/10-Jahres-Spread rund 11 Monate ein Rezessionssignal.

Damit können Investoren auf der Suche nach Rezessionsgefahren die Signale von der Renditestrukturkurve in einem 2-Schritt-Verfahren nutzen: Nachdem der 2/10er Spread negativ geworden ist, sollte dem 3M/10J-Spread eine höhere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wird auch dieser negativ, steht eine Rezession auf Basis des historischen Musters in den nächsten 11 Monaten aller Voraussicht nach ins Haus. Übertragen auf das aktuelle Marktumfeld lautet die vorläufige Conclusio mithin: eine vollständige Inversion des 2/10er Spreads ist noch nicht erfolgt. Ende März 2022 lag die Rendite zweijähriger US-Treasuries zwar kurzfristig über dem zehnjährigen Pendant, seitdem ist die Kurve bis Mitte April aber erneut steiler geworden (zehnjährige US-Staatsanleihen lagen rund 30 Bp über zweijährigen Artgenossen). Auch ein bei rund 190 Bp erhöhter 3M/10J-Spread lässt Rezessionsfantasien als derzeit voreilig erscheinen.

Ein Wort der Vorsicht: Wenngleich es – wie beschrieben – ein signifikantes, historisches Korrelationsmuster zwischen Inversionen der Renditestrukturkurve und Rezessionen gibt, handelt es sich hierbei nicht um einen kausalen Befund. Zudem kann die sogenannte Laufzeitenprämie (dies verlangen die Investoren als Kompensation für Inflationsrisiko) eine verzerrende Rolle spielen. In Zeiträumen, in denen diese Laufzeitenprämie Null oder gar negativ ist (wie aktuell), sollte die Renditestrukturkurve grundsätzlich flacher sein als in vergangenen Dekaden. Aus einer Inversion der Kurve sodann ein Rezessionssignal abzuleiten, ist mindestens kritisch zu beurteilen. Vor dem Hintergrund der weltweiten Angebotsschocks (Pandemie, Krieg) zeichnet sich derzeit eine mittelfristig wieder höhere Inflationsrate ab. Sollte dies Bestand haben, würde sich auch die Laufzeitenprämie wieder normalisieren. Damit wiederum erhielte das historische Korrelationsmuster (Kurveninversion als Rezessionssignal) eine höhere Aussagekraft.

Indikation für Aktienmarkt

Welche praktische Relevanz hat das frühzeitige Erkennen einer Rezession im Portfolio-Kontext und hier speziell bei Dividendentiteln? Grundsätzlich gehen Aktien-Bärenmärkte seit den 1960er Jahren mit Rezessionen einher (zwei Ausnahmen: 1980 und 1987). Da Aktienkurse augenscheinlich eng mit Unternehmensergebnissen korrelieren und diese wiederum eine Funktion vom Konjunkturzyklus sind, besteht letztlich ein Zusammenhang zur Evolution der Renditestrukturkurve. Da Unternehmensergebnisse (als Proxy für den Aktienkurs) nur selten außerhalb von Rezessionen sinken, können Investoren von steigenden (fallenden) Kursen in konjunkturellen Expansions- (Kontraktions-)Phasen ausgehen. Zusätzlich zu der generellen Rezessions- und damit Aktienmarkt-Indikation durch die Renditestrukturkurve lassen die Steepening- und Verflachungsbewegungen (Flattening) der Kurve weitere Schlüsse für die Aktienmarktentwicklung zu. So sind die Total Return des S&P 500 bei einem Flattening in aller Regel deutlich positiver ausgeprägt, als in einer Phase des Steepening. Konsistent mit diesem historischen Befund hat der S&P 500 während der Steepening-Bewegung zwischen Ende März und Mitte April weiter Federn gelassen. Seit Jahresbeginn liegt das US-Aktienbarometer im Übrigen weiterhin mehr als 6% hinten. Einschränkend ist hier allerdings anzumerken, dass die skizzierte Ausweitungsbewegung bislang sehr begrenzt war. Zudem deutet eine erneut steilere Kurve derzeit nur bedingt auf eine robuste US-Konjunktur hin. Die finale Ankündigung der Fed im April, ihre Bilanz abzuschmelzen, hat ebenso zu höheren Renditen im mittleren und längerfristigen Laufzeitenspektrum beigetragen.

Welche Kurvenbewegung ist in den kommenden Monaten zu erwarten und was heißt das für (US-)Aktien? Sollte die Fed ihrer sehr falkenhaften Rhetorik im Mai und Juni vor dem Hintergrund einer anhaltenden Inflationsdynamik Taten folgen lassen – wir erwarten Zinsschritte von je 50 Bp –, dürfte es zunächst zu einer Parallelverschiebung nach oben, gefolgt von einer Verflachungsbewegung kommen. In einem nächsten

Schritt könnte es dann nachhaltig zu einer Kurveninversion kommen, die bei ausreichender Dauer (zwei Monate) auf eine Rezession 2023/24 hindeutet.

Neben dem Zusammenhang zwischen Kontraktionsphasen der Wirtschaft und Aktienmärkten sollten Investoren in der Gegenwart die Berichtssaison abwarten. Positive Überraschungen aus dem ersten Quartal sollten dabei nicht auf das Jahr hochgerechnet werden. Aktien-Engagements stehen also größtenteils schwierige Monate bevor.

 

Exkurs: Konvexität

Bislang wurde in den obigen Ausführungen unterstellt, dass die Form der Renditestrukturkurve durch (i) die Erwartungen über zukünftige Zinsen (allgemeiner: die Konjunkturentwicklung) und (ii) die Laufzeitenprämie (Kompensation für Risiken von sicheren Staatsanleihen) bestimmt wird. Erfreulicherweise gibt es einen weiteren, wichtigen Baustein bei der Bestimmung der Kurve, die Konvexität. Unter der Annahme einer gleich hohen Wahrscheinlichkeit einer Renditeaufwärts- wie Abwärtsbewegung (identische Größenordnung) bei einer gegebenen Anleihe lässt sich beobachten, dass die gleichzeitig stattfindende Preisveränderung des betreffenden Bonds nicht symmetrisch verläuft: der Bondpreis steigt (bei einer Abwärtsbewegung seiner Rendite) stärker, als dass er fällt (bei einer Aufwärt-sbewegung seiner Rendite).

Zudem gilt, je länger die Laufzeit, desto stärker ist der Einfluss einer Renditeänderung auf den Preis. Demzufolge ist der Zusammenhang zwischen Renditen und Preisen nicht linear (hier sei auf Jensen’s Ungleichheit für einen tieferen Einstieg in die vorliegende Fragestellung verwiesen). Abstrahierend, von wo dieser Effekt herrühren mag, ist sich der Bondmarkt dieser Charakteristik von langlaufenden Anleihen bewusst und verlangt deshalb, ceteris paribus, für diese einen höheren Preis (niedrigere Rendite) gegenüber kürzer laufenden Papieren. Formal lässt sich dieser Befund in wenigen (Algebra-)Schritten herleiten. Letztlich lässt sich zeigen, dass der zu erwartende Return des Bonds über die Rendite hinaus einen extra Ertrag erzielt, der immer positiv ist und quadratisch von der Laufzeit und der Volatilität der Rendite abhängt. Mithin dominiert dieser Konvexitäts-Effekt trivialerweise am langen Ende der Kurve. Wie beschrieben, wissen die Investoren um diesen Effekt und sind deshalb dazu bereit, mehr für langlaufende Bonds zu zahlen, was deren Renditen mindert.

Die übrigen beiden bestimmende Kräfte der Kurve dürften sich grosso modo am langen Ende wie folgt verhalten: während die Laufzeitenprämie sich ungefähr linear zur Laufzeit verhält, spielen Erwartungen eine kaum bedeutende Rolle (oder vermag der geneigte Leser zu sagen, wo die kurzfristigen Zinsen in 20 oder 30 Jahren stehen?). Mithin führt der (quadratisch eingehende) Konvexitätsbeitrag zu einer Kurvenform, die früher oder später im hintersten Bereich abwärtsgerichtet ist.

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